ãEin Angehšriger ist kein Therapeut!Ò

Teresa Enke Ÿber Depressionen, die Pandemie und GlŸcksmomente.

2009 nahm sich der Bundesligatorwart Robert Enke das Leben. Er litt mehrere Jahre an schweren Depressionen. Seine Frau Teresa grŸndete daraufhin die Robert-Enke-Stiftung, um die Krankheit in der Gesellschaft zu enttabuisieren. Im Interview spricht sie Ÿber das Krankheitsbild und wie alle Beteiligten einen guten Umgang damit finden. Ihr Appell richtet sich an Empathie, Eigenverantwortung und den Blick auf unsere Kinder in der aktuellen Pandemie.

Die Corona-Pandemie treibt viele Menschen an ihre persšnlichen Grenzen: Familien fahren wochenlang auf Hšchstleistung, manche Menschen verfallen in Einsamkeit, andere haben ExistenzŠngste. Wie halten wir uns mental am besten Ÿber Wasser?

Teresa Enke: Es ist schwierig, die Situation zu Hause zu bewerkstelligen. Die Menschen werden dieser Situation allmŠhlich ŸberdrŸssig und haben keine Geduld mehr. Es ist wichtig, im Alltag zu bleiben. Am besten stellt man sich morgens den Wecker, macht sich und die Kinder fertig und hangelt sich an einem festen Tagesablauf entlang. Sonst besteht die Gefahr, dass man den ganzen Tag im Schlafanzug rumlŠuft. Ein anderer wichtiger Punkt ist das Kontakthalten zu anderen Personen. Immer mal wieder mit Familie, Freunden und Bekannten telefonieren. Der Austausch hilft Ÿber die schwere Zeit. Wir dŸrfen auf keinen Fall die Hoffnung aufgeben, dass es besser wird.

"Das Gute an der Pandemie ist, dass viele Menschen sich jetzt ein StŸck weit in die Lage eines Depressiven hineinversetzen kšnnen."

Das Gute an der Pandemie ist, dass viele Menschen sich jetzt ein StŸck weit in die Lage eines Depressiven hineinversetzen kšnnen. Einige kŠmpfen gerade mit depressiven Verstimmungen, merken, wie schwer das GefŸhl von Einsamkeit sein kann oder welche Belastung Hoffnungslosigkeit und Antriebslosigkeit darstellen kšnnen.

Viele Menschen meistern erfolgreich den tŠglichen Spagat zwischen Beruf, Familie und Freizeitgestaltung. Plštzlich Ÿberrollt sie das Empfinden von Antriebslosigkeit, Erschšpfung oder Verzweiflung. Ab wann sind diese GefŸhle ernst zu nehmen?

Wenn man nichts Positives mehr sehen kann, es nicht mehr schafft, aus dem Bett zu kommen, keine Kontakte aufrechterhalten kann oder Dinge keinen Spa§ mehr machen, die einem frŸher gro§e Freude bereitet haben. Hat man das GefŸhl, dass dieser Zustand nicht mehr aufhšrt, dann ist etwas nicht in Ordnung. Sobald der Mensch nicht mehr fŸr sein Wohlbefinden sorgen kann, braucht er oder sie Hilfe.

"Deswegen mŸssen wir besonders gut auf unsere Kinder aufpassen und gerade in Zeiten der Corona-Pandemie fragen, wie es ihnen geht."

Man muss auch bedenken, Depression ist eine Krankheit, die jede Altersschicht treffen kann. Es sind nicht immer Erwachsene, die mitten im Leben stehen, es kann bereits auch Kinder und Jugendliche erreichen. Deswegen mŸssen wir besonders gut auf sie aufpassen und gerade in Zeiten der Corona-Pandemie fragen, wie es ihnen geht. Es ist vor allem jetzt sehr wichtig, ihnen eine Struktur zu geben, Mšglichkeiten des Sports oder der Musik aufzeigen und sie nicht mit Medienkonsum oder hohen schulischen Anforderungen allein zu lassen.

Was brauchen Menschen, die an einer Depression erkranken? Was ist der erste Schritt in Richtung Heilung?

Wurde tatsŠchlich eine Depression diagnostiziert, dann ist es ein Zusammenspiel aus dem Erkrankten, dem Therapeuten sowie Familie und Freunden. Eine regelmЧige Therapie ist natŸrlich wichtig, aber es kommt auf den Schweregrad der Depression an. Es gibt leichte depressive Phasen, wo man sich schlecht fŸhlt oder Probleme hat, den Alltag zu meistern. Das kostet viel Anstrengung, doch den Weg der Heilung kann man auch selbst schaffen. Dazu muss man wissen, was man tun muss, um da wieder raus zu kommen.

"Wenn man einen schweren Verlauf hat, wie mein verstorbener Mann Robert damals, dann kann man nicht mehr fŸr sich sorgen."

Wenn man einen schweren Verlauf hat, wie mein verstorbener Mann Robert damals, dann kann man nicht mehr fŸr sich sorgen. Es fŠllt alles so schwer, dass sogar das Aufstehen am Morgen unmšglich erscheint. Leider ist die Erkrankung nicht so sichtbar wie zum Beispiel ein gebrochenes Bein, daher mŸssen sich an Depression erkrankte Menschen dafŸr rechtfertigen, warum sie nicht aufstehen.

Depressionen beeinflussen nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch die Beziehungen zu anderen Menschen. FŸr Au§enstehende ist es hin und wieder schwer, sich in die Lage des Erkrankten hineinzuversetzen. Was wŸrden Sie Betroffenen und Au§enstehenden raten, damit ihre Beziehung an der Krankheit nicht zerbricht?

Das ist ein schwieriger Grat. FŸr Angehšrige ist es wichtig, da zu sein und dem anderen zu signalisieren: ãIch wei§, du bist krank, und ich helfe dirÒ. Au§enstehende sollten immer wieder ihre Bereitschaft fŸr gemeinsame AktivitŠten anbieten. Sie werden auch hŠufig abgewiesen werden, aber dies ist nicht persšnlich zu nehmen, sondern hat mit der Erkrankung des Betroffenen zu tun. Daher empfehle ich immer im Kontakt zu bleiben, zu animieren, aber keinen Druck auf den Erkrankten auszuŸben. Im Grunde schenken wir dem Betroffenen dadurch bedingungslose Empathie.

"Daher empfehle ich immer im Kontakt zu bleiben, zu animieren, aber keinen Druck auf den Erkrankten auszuŸben."

Wichtig ist auch, dass sich Angehšrige nicht davon zermŸrben lassen, dass wenig GefŸhle von dem Betroffenen zu einem gelangen. Es ist vor allem als Partner wichtig zu wissen, dass derjenige gerade krank ist. Das sollte man immer mit anderen Krankheiten vergleichen. Wenn mir zum Beispiel sehr Ÿbel ist oder ich starke Schmerzen habe, kann ich auch nicht verstŠndnisvoll mit meinem Partner umgehen.

"Als Partner oder Freund kann man dem Betroffenen zur Seite stehen, ist aber nicht fŸr die Heilung verantwortlich."

Einer Sache muss man sich immer bewusst sein: Ein Angehšriger ist kein Therapeut! Als Partner oder Freund kann man dem Betroffenen zur Seite stehen, ist aber nicht fŸr die Heilung verantwortlich. Und: Auch Helfer brauchen Hilfe und mŸssen sich die Mšglichkeit geben, ab und zu den eigenen Emotionen freien Lauf zu lassen.

Wie erkenne ich Suizidgedanken bei depressiven Menschen?

Wichtig ist, darŸber offen zu sprechen. Mein verstorbener Mann und ich haben oft darŸber gesprochen. Doch nicht immer Šu§ern Betroffene ihre wahren Gedanken darŸber. Daher lŠsst sich die Frage nicht generalisieren.

"Was mir frŸher nicht klar war, aber heute ein deutliches Alarmzeichen fŸr mich darstellt, ist, wenn Menschen, die sehr schwer krank sind, auf einmal wieder aufblŸhen."

Was mir frŸher nicht klar war, aber heute ein deutliches Alarmzeichen fŸr mich darstellt, ist, wenn Menschen, die sehr schwer krank sind, auf einmal wieder aufblŸhen. Das kann ein Indiz dafŸr sein, dass der Entschluss gefasst ist und somit die Tage vor dem Suizid leichter fallen. So war es auch bei Robbi. GrundsŠtzlich sind die Suizidabsichten eines Betroffenen immer ein medizinischer Notfall und behandlungsbedŸrftig.

Sie haben nicht nur Ihren Mann, sondern auch Ihre Tochter verloren. Was hat Ihnen geholfen, diese RŸckschlŠge zu Ÿberwinden? Woraus schšpfen Sie Ihre Kraft?

Ich schaue immer nach vorn. Ich versuche in der Tragšdie etwas Positives zu sehen. Die zwei Jahre mit meiner Tochter Lara waren hart, aber auch wunderschšn, und ich wŸrde sie immer wieder auf diesem Weg begleiten. Ihre Herzerkrankung hat uns damals dazu berufen, uns fŸr andere herzkranke Kinder einzusetzen und ihnen zu helfen. Bis heute mache ich das auch mit der Robert-Enke-Stiftung.

"Ich habe zwar meine Trauer auch ausgelebt, aber ich wusste, ich muss weitermachen, sonst werde ich auch krank."

Nach dem Tod von Robbi wusste ich, dass ich stark sein muss, denn ich hatte Verantwortung fŸr unsere zweite Tochter Leila, die Familie und die Tiere. Ich habe zwar meine Trauer auch ausgelebt, aber ich wusste, ich muss weitermachen, sonst werde ich auch krank. Meine zweite Tochter Leila hat mir da ganz viel Kraft gegeben.

Was ist Ihre Definition von GlŸck?

GlŸck ist fŸr mich ein Moment. GlŸcksmomente sind, wenn ich mit meinen Kindern in Portugal am Strand sitze und ins Meer schaue. FŸr mich ist es immer ganz toll, wenn alle zusammen sind: Kinder, Familie, Freunde, Hunde. Wenn man das bewusst wahrnimmt, dass man genau in diesem Moment zusammen ist, das ist fŸr mich GlŸck!
 

Teresa Enke ist Vorstandsvorsitzende der Robert-Enke-Stiftung und Frau des 2009 verstorbenen Bundesligatorwarts Robert Enke. Die Stiftung fšrdert Ma§nahmen und Einrichtungen, die zur AufklŠrung der Krankheit Depression und von Kinderherzkrankheiten dienen.