Es gibt Agenturen, die junge Männer für Spaziergänge am Nachmittag verleihen und Kuschelcafés, in denen Männer viel Geld bezahlen, um minutenweise im Arm einer jungen Frau zu liegen. Das urmenschliche Bedürfnis nach Nähe wird zur Ware.
Die Stadt Tokio versucht den demografischen Auswirkungen beizukommen, indem sie für ihre Verwaltungsangestellten seit April 2025 eine freiwillige Vier-Tage-Woche anbietet, um vor allem berufstätige Eltern zu entlasten und die Geburtenrate anzukurbeln. Zusätzlich sollen Eltern mit Kindern im Grundschulalter früher Feierabend machen können – gegen einen bestimmten Gehaltsverzicht.
Laut dem „State of the Global Workplace 2024“ von Gallup fühlen sich 20 Prozent der Beschäftigten häufig oder ständig einsam – bei Remote-Arbeitenden sind es sogar 25 Prozent. Doch nicht das Homeoffice ist die Hauptursache. Entscheidend ist, ob Mitarbeitende sich emotional eingebunden fühlen.
Engagierte Mitarbeitende erleben laut Gallup 64 Prozent seltener Einsamkeit. Das zeigt: Gute Führung und soziale Verbundenheit sind wichtiger als der Arbeitsort. Laut dem Gallup-Bericht sind Führungskräfte in der Pflicht, soziale Verbundenheit im Team aktiv zu fördern. Nicht der Arbeitsort, sondern fehlende emotionale Einbindung lässt Einsamkeit entstehen – und hier hat Führung großen Einfluss.
Psychologische Sicherheit im Umgang mit persönlichen Themen
Sprechen wir über Themen wie Liebe, Beziehungen oder Einsamkeit, bewegen wir uns in einem sensiblen Bereich, der oft als „privat“ gelabelt ist und genau deshalb in vielen Arbeitskontexten außen vor bleibt. Was braucht es, damit sich das ändert?
„Über private Themen offen zu sprechen erfordert großes Vertrauen in das Gegenüber und ein hohes Maß an psychologischer Sicherheit“, sagt Darina Doubravová, Leiterin der zentralen Work:life-Akademie der pme Familienservice Gruppe. „Mitarbeitende müssen das Gefühl haben, dass sie sich öffnen dürfen – ohne Angst vor Verurteilung, Konsequenzen oder Bloßstellung. Führungskräfte spielen hier eine Schlüsselrolle, indem sie selbst Offenheit vorleben und persönliche Themen nicht abwerten, sondern ernst nehmen“.
Wie können Personalverantwortliche und Führungskräfte gezielt unterstützen?
Es braucht keine "therapeutischen Gespräche" im Büro, aber ein Arbeitsumfeld, in dem Menschen keine Angst haben, Mensch zu sein. HR und Führungskräfte haben die Verantwortung, dieses Klima aktiv zu fördern – durch Haltung, Sprache und Strukturen.
1. Einzelgespräche gezielt nutzen
In 1:1-Gesprächen kann ein Raum geschaffen werden. Eine einfache Frage wie „Wie geht es dir gerade – auch außerhalb der Arbeit?“ kann ein Türöffner sein. HR kann hier als Sparringspartner für Führungskräfte fungieren, wie man solche Gespräche sensibel führt.
2. Teamrunden bewusst gestalten
Im Teamkontext kann psychologische Sicherheit gefördert werden – etwa durch regelmäßige Check-ins oder Formate wie "Stimmungsrunden", in denen persönliche Befindlichkeiten Platz haben. Wichtig ist, dass niemand gezwungen wird, aber alle wissen: Du darfst hier auch als Mensch auftauchen.
3. Führungskräfte sensibilisieren
HR sollte aktiv dazu beitragen, Führungskräfte dafür zu sensibilisieren, dass private Themen wie Einsamkeit, Liebeskummer oder familiäre Belastungen reale Auswirkungen auf das Arbeitsleben haben – und deshalb auch relevant für Führung sind. Eine offene Haltung kann dabei nicht nur das Vertrauen stärken, sondern auch präventiv wirken, z. B. im Kontext mentaler Gesundheit.
Beziehungspflege als Teil moderner HR
Liebe und Sexualität gehören nicht in die Personalakte. Aber sie gehören berücksichtigt – in einer reflektierten, inklusiven und fürsorglichen HR-Kultur. HR muss keine Fragen nach dem Sexleben stellen. Aber HR kann Räume schaffen, in denen Beziehungsthemen nicht als peinlich oder privat abgewertet werden. Und sie kann mit dafür Sorge tragen, dass am Arbeitsplatz Verbundenheit gelebt werden kann und die Arbeitslast nicht so hoch ist, dass die Lebenslust darunter leidet.
Sie kann neue Wege der Kommunikation gehen und Ideen liefern, wie diese in den Teamalltag implementiert werden können. Sie kann ein offenes Ohr haben für die urmenschlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen und mit für Lebensfreude und Wohlbefinden sorgen. Sie kann Leistungen anbieten, die Mitarbeiter:innen darin unterstützen, gute Beziehungen zu führen, sich auch im Privaten weiterzuentwickeln und mental gesund zu bleiben.
Führungskräfte müssen kein Privatleben moderieren, aber sie können gute Bedingungen für Zusammenhalt schaffen: durch persönliche Gespräche, Wertschätzung, Teamrituale (auch remote) und gezielte Stärkenförderung. Sie müssen keine Freund:innen sein, aber sie sind mitverantwortlich für die Qualität der Beziehungen im Team. Ihre Aufgabe dabei: Verbindungen ermöglichen – nicht erzwingen.
Gute Führung erkennt an, dass Menschen auch jenseits des Büros existieren. Und liebt nicht die Leistung – sondern den Menschen.
Fühlen Sie sich auch manchmal „lost“ im Krisenmodus? Mit unserer Initiative „Lost in Space? Der pme Survival Guide für unsichere Zeiten“ geben wir unseren Kund:innen wertvolles Werkzeug für die Arbeit, die Liebe und das Älterwerden an die Hand.